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Tag der Epilepsie- und wo arbeitest DU???

Tag der Epilepsie- und wo arbeitest DU???

Eine Pflegefachperson der Epilepsiestation, beantwortet Fragen einer Kollegin, zu ihrem Arbeitsalltag:

…und wo arbeitest Du?

Auf der Station 25.

Was ist das für eine Station?

Eine Epilepsie- Station.

Ist das der winzige Fachbereich der Neurologie?

Nun ja… wusstest Du, dass mindestens so viele Menschen mit wenigstens einem epileptischen Anfall gibt, wie es Menschen mit Diabetes gibt? Und darüber hört man ja immer sehr viel.

Tatsächlich ist Epilepsie die häufigste neurologische Erkrankung.

So viele Menschen mit einer Behinderung gibt es?

Nicht alle Menschen mit einem epileptischen Anfall oder einer Epilepsie haben eine Behinderung! Es gibt auch einige bekannte Personen, die Epilepsie haben oder hatten. Wie zum Beispiel Napoleon, Elton John, Prince oder Lil Wayne… aber natürlich gibt es auch einige Menschen mit Behinderung, die eine Epilepsie haben.

Ach, das wusste ich gar nicht… interessant. Und was macht ihr dann so auf Station?

Wir machen viel Diagnostik, Notfallbehandlungen und Medikamentenumstellungen. Es gibt ja viele unterschiedliche Formen der Epilepsie.

Tag der Epilepsie- und wo arbeitest DU???

 

Ja jemand fällt um, zuckt und ist bewusstlos.

Umfallen tun nicht alle… meistens denkt man bei Epilepsie nur an generalisierte Anfälle, also eben die mit Umfallen und Zuckungen aller Extremitäten. Neben diesen gibt es noch weitere Arten von Anfällen.

Die kenne ich: Lachanfälle, Wutanfälle, Heulkrämpfe….

Stimmt, die gibt`s auch, aber die sind nicht epileptisch. Ich meine, fokale Anfälle. Dabei sind nur Teile des Gehirns betroffen und das kann sich sehr unterschiedlich äußern. Einige schmatzen, nesteln oder es zuckt nur ein Arm über längere Zeit. Außerdem gibt es noch psychogene (nicht epileptische) Anfälle, die aussehen, wie generalisierte Anfälle.

Und wie kann ich das unterscheiden?

Sicher unterscheiden kann man das nur im EEG, dem Elektroenzephalogramm. Deswegen haben wir 4 EEG Monitor Plätze, wo rund um die Uhr EEG abgeleitet wird über mehrere Tage. Oftmals pausieren wir Medikamente oder provozieren Anfälle durch Schlafentzug.

Ist das nicht gefährlich?!

Natürlich, deswegen überwachen wir diese Patient:innen so genau mit Kameras und haben dementsprechend wenige Zimmer. Einige risikoreduzierende Maßnahmen, die wir umsetzen… wir polstern das Bett ab, legen nachts Matten vor das Bett, haben EKG Monitore und es ist überall ein Sauerstoffanschluss vorbereitet. Unsere Patient:innen dürfen dann die Station nicht alleine verlassen. Wir gehen also tatsächlich auch mit unseren Patient:innen in den Garten und zum Kiosk. Da haben uns vielleicht andere Kolleg:innen mal gesehen und beneidet bei gutem Wetter.

Tag der Epilepsie- und wo arbeitest DU???

 

Aber das ist doch nicht eure Hauptaufgabe?

Wir haben schon sehr abwechslungsreiche Aufgaben, da wir eine sehr gemischte Patientenklientel haben, manchmal auch Kinder. Neben Grundpflege ist viel Patientenbeobachtung gefragt und das Wissen um Nebenwirkungen bei bestimmten Antikonvulsiva. Bei der Anfallsprovokation kommt es auch zu Notfällen, in denen wir schnell handeln müssen. Auch Beratung zum Thema Epilepsie gehört zu unseren Aufgabengebieten, da teilen wir uns die Themen mit Kolleg: innen aus anderen Disziplinen.

Denn wir sind ein interdisziplinäres Team, arbeiten mit Ergotherapeutinnen, Neuropsychologinnen, Physiotherapeut:in, EEG Fachkräften, dem Sozialdienst und mit unseren Ärzt:innen eng zusammen. Wir treffen uns jeden Morgen zu einer Frühbesprechung und jeden Mittwoch in unserer großen Fallkonferenz.

Dann seid ihr mit den wenigen Zimmern scheinbar ganz gut beschäftigt… ein wirklich interessantes Thema. Gibt es denn etwas, was du mir für meinen Bereich, in Bezug auf Epilepsie mitgeben möchtest? 

Die regelmäßige Medikamenteneinnahme ist super wichtig… einige Patient:innen reagieren sehr schnell auf die fehlende Dosis ihrer Antikonvulsiva und können nicht einfach auf eine Gabe verzichten, daher muss immer darauf geachtet werden. Notfalls kann man tatsächlich fast alle Medikamente intravenös verabreichen.

Naja, so ein bis zwei Tage vor und nach OP können sie bestimmt mal darauf verzichten. Oder vor Untersuchungen, wenn man nüchtern sein muss.

Das denken Viele, aber so ist es nicht. Viele Leute mit Epilepsie sind jahrelang anfallsfrei, wenn sie ihre Medikamente regelmäßig nehmen. Und dann vergessen sie die einmal und schon krampfen sie…  Nach einem Krampfanfall darf man dann 6-12 Monate nicht Auto fahren. Das sind totale Einschnitte in das Alltagsleben.

Das hätte ich ja alles gar nicht gewusst. Wenn jetzt Patient:innen mit Epilepsie auf meine Station kommen, weiß ich schon mal worauf ich achten muss. Und sonst darf ich doch sicher bei euch nachfragen.

Selbstverständlich!

Vielen Dank für den interessanten Austausch!

 


Epilepsie

Epilepsie, auch als „Fallsucht“ bezeichnet, ist eine Funktionsstörung des Gehirns. Dabei feuern Nervenzellen zeitgleich ihre Impulse ab und „überlasten“ praktisch das Nervensystem.

Epilepsien gehören zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. 5-10% aller Menschen haben einmal in ihrem Leben einen epileptischen Anfall, ca. 0,5-1,4% sind an einer Epilepsie erkrankt, d.h. sie haben wiederholt und unprovoziert epileptische Anfälle. Oftmals betroffen sind Kinder und mehr als doppelt so häufig ältere Menschen ab 65 Jahren, grundsätzlich kann die Erkrankung in jedem Lebensalter erstmals auftreten. Das Spektrum der Epilepsien ist groß, es werden mehr als 30 verschiedene Formen unterschieden. So breit gestreut wie die Formen der Epilepsie sind auch die Ursachen dieser Erkrankung: Epilepsien mit unklarer Ursache und genetisch bedingte Epilepsien stehen neben spät im Leben durch Hirnverletzungen (z.B. Schlaganfälle oder Schädel-Hirn-Trauma) oder Entzündung (z.B. Meningitis) erworbenen.

Von Epilepsie wird erst gesprochen, wenn wiederholt epileptische Anfälle auftreten. Tritt z.B. in Folge von übermäßigem Alkoholgenuss, bei hohem Fieber oder auch bedingt durch völlige Übermüdung ein einziger epileptischer Anfall (Gelegenheitsanfall) auf, liegt noch keine Epilepsie vor.

 

Sarah Marie Wulf, Gesundheits-und Krankenpflegerin und Praxisanleiterin

Helgard Ehlers, Gesundheits-und Krankenpflegerin, stellv. Stationsleitung sowie das ganze Team der Station 25, am AGAPLESION Diakonieklinikum Rotenburg

 

Literaturverzeichnis

Anon., o. J.. Deutsche Epilepsie Vereinigung Niedersachsen e.V.. [Online] https://www.epilepsie-niedersachsen.de/wissenswertes/aktuelle-daten-zur-epilepsie-und-zum-behandlungsstand.html. [Zugriff am 01. Februar 2022].

Fisher, R. e. a., 2018. Operationale Klassifikation der Anfallsformen durch die Internationale Liga gegen Epilepsie: Positionspapier der ILAE-Klassifikations- und Terminologiekommission. Zeitschrift für Epilepsie, 9. November, Issue 31, pp. 372-281.

Mau, M., o. J. . Leading Medicine Guide. [Online] https://www.leading-medicine-guide.de/erkrankungen/nerven/epilepsie#topics. [Zugriff am 01. Februar 2022].

Pfäfflin, M., Stefan, H. & May, T. W., 2020. Wie viele Patienten mit Epilepsie gibt es in Deutschland, und wer behandelt sie?. Zeitschrift für Epileptologie, 25 Mai, Issue 3, pp. 218-225.

Anlage 4 (zu §§11, 13 und 14 BGBI. I). Eignung und bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2010 Teil I Nr. 65. S. 2025.

 

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